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RE: antworten an
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- Subject: RE: antworten an
- From: Joerg W Mittag <Joerg.Mittag@xxxxxx>
- Date: Fri, 29 Jul 2005 03:53:23 +0200
- To: uugrn@xxxxxxxxxxxxxxx
Martin Bilek wrote: > Marc Haber wrote: >> On Mon, Jul 25, 2005 at 07:26:50AM +0200, Sascha Morr wrote: >>> Ich denke das man >>> dahingehend nur in der Mailinglistensoftware etwas aendern koennte. >> Und das waere nicht sinnvoll, denn Reply-To: munging auf >> Mailinglisten ist gefaehrlich. > Das verstehe ich nicht. - Erklaerung ("munging auf Mailinglisten" + > "gefaehrlich")? Nicht schon wieder! Das wurde hier auf der Mailingliste doch schon mehrmals ausfuehrlichst durchgeackert und findet sich bestimmt im Archiv. Ich wuerde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass das Thema bereits auf jeder Mailingliste, die es auf der Welt gibt, ausfuehrlich durchgeackert wurde (zuletzt zum Beispiel vor kurzem wieder auf der Linux-Kernel-Mailingliste); zumindest trifft das auf alle Mailinglisten zu, die ich lese. Es gibt verschiedene Gruende, warum es keine gute Idee ist: Technische Gruende: ================== 1) Es ist unnoetig. Der vorgebliche Zweck von Reply-To-Munging ist es, einfaches Antworten an die Liste zu ermoeglichen. Tatsache ist aber, dass das auch ohne Reply-To-Munging geht. Viele MUAs erkennen Mailinglisten automatisch (anhand spezieller Header, als Beispiel sieh dir mal die Header dieser Mail an) und bieten eine List-Reply-Funktion an. Andere MUAs muessen dafuer haendisch konfiguriert werden, doch muss dieser Aufwand ja nur einmal je Mailingliste betrieben werden. MUAs ohne List-Reply bieten haeufig eine Group-Reply-Funktion (Reply to All) an, die man stattdessen benutzen kann. Hier muss zwar eventuell die Empfaengerliste von Hand gekuerzt werden -- allerdings nicht immer, denn auf manchen Mailinglisten ist es durchaus ueblich, dass man vorherige Diskussionsteilnehmer in der Empfaengerliste behaelt, wodurch diese zwar die Mails doppelt bekommen, aber einfacher filtern koennen --, doch stellt dies keinen besonderen Aufwand dar. Selbst bei MUAs, die keine Group-Reply-Funktion bieten, kann man immer noch von Hand die Mailinglisten-Adresse in das Empfaengerfeld eintragen; auch das ist kein unueberwindliches Hindernis. Und sollte es einen MUA geben, der weder eine List-Reply-, noch eine Group-Reply-Funktion hat und auch das Aendern des Empfaengerfeldes nicht erlaubt, dann kann der betroffene User immer noch einen anderen MUA verwenden. Es gibt also genuegend einfache Moeglichkeiten, Antworten an die Liste zu schicken, ohne dass man dafuer die Mailinglisten-Software unnoetig verkomplizieren muesste. 2) [Korreliert mit 6)] Es hat schlechte Fehlertoleranz. Wenn ein Benutzer ohne Reply-To-Munging mal vergisst, dass er auf einer Mailingliste ist, dann ist das schlimmste, was passieren kann, dass eine Mail, die eigentlich oeffentlich sein sollte, privat verschickt wird. Dann schickt man die Mail halt nochmal an die Mailingliste oder bittet den Empfaenger, die Mail an die Liste weiterzuleiten. Mit Reply-To-Munging passiert genau das entgegengesetzte: eine Mail, die eigentlich privat sein sollte, wird oeffentlich an die Liste geschickt. Ups. Wegen 6) ist ein solches Versehen gar nicht so unwahrscheinlich, ich selber habe zumindest schon mehrfach auch auf dieser Liste versehentlich private E-Mails statt Listen-Mails verschickt. 3) Es kann zu Loops fuehren. Obwohl es absolut verpoent ist, automatische Abwesenheits- oder Urlaubsbenachrichtigungen auf E-Mail-Adressen zu aktivieren, die Mailinglisten abonniert haben, kommt das hin und wieder vor. Die Folge: sobald eine E-Mail ueber die Liste kommt, sendet die Software eine Urlaubsnachricht an die Reply-To-Adresse. Das ist aber die Liste, woraus folgt, dass die Urlaubsnachricht ueber die Liste geht und von der Software wieder mit einer Urlaubsnachricht beantwortet wird ... an die Liste. Ups. Inzwischen werden in Mailinglisten-Software Heuristiken zur Erkennung solcher Loops eingebaut, aber die funktionieren nicht sehr zuverlaessig. Man baut also unnoetige, nicht zuverlaessig funktionierende, zusaetzliche Komplexitaet in die Mailinglisten-Software, um ein Problem zu bekaempfen, das nur entstanden ist, weil man ein vermeintliches Problem zu loesen versucht, welches gar keines ist. Seid ihr noch dabei? 4) Es ist verboten. From und Reply-To gehoeren dem Autor der Mail. Da hat sonst niemand drin rumzupfuschen: "When the 'Reply-To:' field is present, it indicates the mailbox(es) to which the author of the message suggests that replies be sent." Wohlgemerkt: "Author", nicht "Mailing List Administrator". (Ich moechte hier fairerweise auch die Gegenseite anfuehren: die Verfechter des Reply-To-Munging sagen, dass ein Autor alleine schon durch die Tatsache, dass er eine Mail an eine Mailingliste schickt, auch implizit "suggested", dass Antworten ebenfalls an die Mailingliste gehen sollen. Das heisst also quasi, wenn jemand eine Mail an die Mailingliste schickt, dann folgt daraus automatisch, dass er eigentlich auch den Reply-To-Header auf die Mailingliste setzen wollte und dies bloss vergessen hat, so dass die Mailinglisten-Software sein Versehen leider korrigieren muss.) Die Mailinglisten-Software muss in vielen Faellen den Header manipulieren und beispielsweise Loop-Detection-Header einbauen, aber dieses Feld ist tabu. Achtung: an dieser Stelle widersprechen sich RfC2822 und sein Vorgaenger RfC822: in RfC822 wird die Moeglichkeit, Reply-To fuer Mailinglisten zu nutzen, explizit erwaehnt, diese Bemerkung findet sich aber in RfC2822 nicht mehr: "This field provides a general mechanism for indicating any mailbox(es) to which responses are to be sent. Three typical uses for this feature can be distinguished. [...] A somewhat different use may be of some help to 'text message teleconferencing' groups equipped with automatic distribution services: include the address of that service in the 'Reply-To' field of all messages submitted to the teleconference; then participants can 'reply' to conference submissions to guarantee the correct distribution of any submission of their own." Man beachte insbesondere, dass RfC822 von einem "general mechanism" spricht, waehrend RfC2822 das Feld klar unter die Kontrolle des Autors stellt. Ausserdem ist durch den Wortlaut des RfC822 durchaus nicht offensichtlich, auch wenn die Verfechter des Reply-To-Munging das natuerlich anders sehen, dass empfohlen wird, dass die Mailinglisten-Software den Header veraendern sollte; man kann es naemlich auch durchaus so lesen, dass der Autor, der eine Mail an die Mailingliste sendet, Reply-To auf die Mailingliste setzen soll. 5) [Folgerung aus 4)] Es stoert den E-Mail-Verkehr. Das Reply-To-Feld wurde nicht in RfC822/RfC2822 aufgenommen, um das ohnehin schon sehr komplexe Dokument voellig unverstaendlich zu machen, sondern weil es einen Sinn hat: das Reply-To-Feld gibt an, an welche Adresse der Autor Antworten gerne gesendet haette, zum Beispiel in dem Fall, dass der Autor die Mailbox, von der aus er die Nachricht sendet, gar nicht abrufen kann. Ergonomische Gruende: ==================== 6) [Korreliert mit 2)] Es verletzt das Prinzip der geringsten Ueberraschung. Dieses Prinzip ist ein wichtiges Prinzip der Benutzerschnittstellengestaltung. Es bedeutet, dass eine Benutzerschnittstelle so wenig wie moeglich von den Erwartungen des Benutzers abweichen sollte. Wenn eine Antwort auf eine E-Mail normalerweise an den Autor geht, in wenigen Faellen aber auch mal nicht an den Autor sondern an eine Liste, dann widerspricht das diesem Prinzip. Das ist an sich schon ein Problem, wird aber verstaerkt durch die katastrophalen Auswirkungen, die eine solche Fehlbedienung haben kann, siehe 2). Es verletzt auch weitere verwandte Prinzipien, zum Beispiel das Aehnlichkeitsprinzip, welches besagt, dass aehnliche Ziele auf aehnlichen Wegen erreicht werden sollen. Wenn ich zum Senden einer Antwort an den Autor einmal auf "Reply" und ein anderes Mal auf "Reply to All" inklusive anschliessendem haendischem Entfernen der Mailinglisten-Adresse klicken/druecken muss, dann ist das sicher nicht aehnlich. Soziale Gruende: =============== 7) [Verwandt mit 4) und 5)] Es ist unhoeflich. Es ist alleine schon unhoeflich, eine vom Autor vorgegebene Adresse einfach so zu veraendern, es ist aber noch unhoeflicher, wenn das dazu fuehrt, dass dieser keine Antworten mehr erhalten kann. Juristische Gruende: =================== 8) (Das ist mit Sicherheit der schwaechste Grund und nicht unbedingt einer, ueber den man sich Sorgen machen muss.) Es ist gut vorstellbar, dass es irgendwo auf der Welt (wenn man mal die einzelnen US-Bundesstaaten mitzaehlt, die ja durchaus unterschiedliche Strafgesetze haben, dann gibt es mit Sicherheit ueber 250 verschiedene Strafgesetz-Systeme) eine Rechtsordnung gibt, die das Verfaelschen der Absenderadressen als illegale Datenveraenderung, Stoerung des Fernmeldeverkehrs o.ae. einstuft. Wer es unbedingt darauf anlegt, wird vermutlich sogar irgendwo einen verarmten Juristen finden, der in einem Gutachten die Anwendbarkeit des deutschen §303a StGB bejaht. In der Tradition von Dijkstra gibt es wohl auch irgendwo ein Reply-To-Munging-Considered-Harmful-Dokument. Kurz gesagt: Reply-To-Munging ist ein gefaehrlicher und unnoetiger Workaround fuer die Tatsache, dass manche Menschen zu bloed sind, ihren MUA richtig zu benutzen. (Ja, ich zaehle mich ausdruecklich dazu.) jwm